Die Reise ins All

Eine Allreise! Was heute niemanden mehr so recht vom Hocker zu reißen vermag, war gestern noch ein Abenteuer und vorgestern ein fernes Traumgespinst. Was liegt also näher, wenn man eine spannende Geschichte erzählen möchte, als sich ins Vorgestern zu versetzen...

Und hier stoßen wir sogleich auf den großartigen, unerreichten, musenumschwirrten, göttergleichen Jules Verne. Mit anderen Worten: Ich halte ihn für einen lesenswerten Schriftsteller. Wer Jules Verne nicht mag, kann sich demnach Lebenszeit sparen, indem er diesen Text einfach nicht weiterliest. Ist noch jemand da? Hallo? Ah, fein. Also:

Auf den folgenden Seiten möchte ich mein Spiel "Die Reise ins All" vorstellen. Das Spiel versetzt den werten Spieler in die vergessene Welt des ungebremsten Fortschritts. Dank Kohle, Stahl und Forscherdrang kann jede Grenze durchbrochen werden. Und selbst der Vorstoß in die unbekannten Weiten außerhalb unseres Planeten rückt mancherlei in Reichweite.

Dieses Spiel wurde mit dem RPG-Maker 2000 erstellt.

Handlung

Wir schreiben das 19. Jahrhundert. Die Technik erobert die Welt. Alles dampft, zischt, raucht und ist schneller als je zuvor. Städte bersten schier auseinander vor den tummelnden Massen. Wo zuvor die Kathedralen das Stadtbild bestimmten, recken sich nun die Schlote der Fabriken und schwängern die Luft mit purem Fortschritt. Die Zivilisation ist auf ihrem endgültigen Gipfel.

Auf der diesjährigen Weltausstellung verblüfft Professor Heisen die Menge mit unerhörten Neuerungen. Seit seinem mysteriösen Verschwinden auf einer Expedition und seinem ebenso überraschenden Auftauchen wenige Wochen später hatte sich dieser wackere Gelehrte in seinem Labor vergraben. Monatelang. In dieser Zeit scheint seine Kreativität förmlich explodiert zu sein. Wie sollte man seine neuen genialen Apparaturen auch sonst erklären? Aber Heisen will noch weit höher hinaus. Er plant eine Reise zu den Sternen.

Das Militär wird hellhörig, als es von Heisens Plänen einer gigantischen Abschussanlage erfährt und schickt mit Leutnant von Mackwitz einen hackenknallenden Hundertprozentigen, der den schrulligen Professor für ganz andere Zwecke einspannen soll. Doch eine engagierte junge Journalistin, Fräulein Eleonore, wittert Verdacht und begibt sich auf die Fährte. Die Verwicklungen nehmen ihren Lauf, so dass erst noch einige Hindernisse auf der heimischen Erde aus dem Wege zu räumen sind, bis das große Abenteuer starten kann: Die Reise ins All.

Die Geschichte nimmt Ideen gleich mehrerer Romane Jules Vernes auf, fügt ein paar Prisen H.G. Wells sowie eine Tüte voller Atmosphäre des 19. Jahrhunderts hinzu, rührt das Ganze kräftig um und hofft und bangt und zittert, dass ein spielbares Etwas daraus entstehen möge.

Es ist nicht nötig, die alten phantastischen Romane gelesen zu haben, es schadet aber auch nichts (Auch jenseits der Belange dieses Spiels schadet es wirklich absolut nichts, Jules Verne & Kollegen einmal gelesen zu haben). Wer den Stil solcher Geschichten mag, wer dampfgetriebene Zukunftsentwürfe schätzt, wer Spaß an mutig-naiver Fortschrittsgläubigkeit hat, mag hier das Richtige für ein paar Stunden Unterhaltung finden.

Besonderheiten:

  • Dampf, Stahlrohre, Luftschiffe ... futuristische Technik mit den Augen des 19. Jahrhunderts.
  • Gastauftritte zahlreicher bekannter Roman- und Filmfiguren aus dieser Epoche
  • Planetenreisen
  • kleine Minispiele zum Knobeln
  • Rätsel und Kämpfe halten sich in etwa die Waage
  • kleine (KLEINE) Zeichentrickzwischenfilmchen
  • Elementsystem (Stärken und Schwächen im Kampf)

Helden

von Mackwitz (Leutnant)

Uniform und Monokel sitzen tadellos. Der junge Offizier ist der geborene Kavallerist und möchte ständig mit dem Kopf durch die Wand. Zu seinem Leidwesen muss er feststellen, dass die Welt außerhalb seiner Kaserne nach anderen Regeln funktioniert. Kultur und Bürgersinn gehen ihm vollständig ab, aber er ist ein tapferer Kerl, der recht bald mit einigen Tricks im Kampf aufwarten kann.

Professor Heisen (Forscher)

Seit der gute Professor auf seiner Expedition zu den alten Kulturen verschwand, um wenig später wieder aufzutauchen, umgibt ihn ein Geheimnis. Trotz seines kleinen Wuchses und des mittlerweile recht hohen Alters ist er ein furchtloser Forscher, der jedem Problem mit Willensstärke, Neugier und einer gewissen Dickköpfigkeit begegnet, bis er die Lösung gefunden hat. Mit seiner Art hat er nicht nur Freunde und seine wissenschaftliche Exzellenz verschafft ihm Neider. Besonders ein Widersacher macht dem Professor zu schaffen.

Fräulein Eleonore (Journalistin)

Sie hat den Kopf voller Ideale und ist eine engagierte Verteidigerin der Freiheit. Wie alle Idealisten ist sie gewohnt unduldsam und forsch. Die talentierte Journalistin muss Acht geben, so nicht denen, die sie eigentlich bekämpft, immer ähnlicher zu werden.

eine bekannte Romanfigur

Wer es ist, soll hier noch nicht verraten werden. Nur soviel: Die Figur ist für einige Überraschungen gut.

Raumfahrt im 19. Jahrhundert

Das Spiel "Die Reise ins All" spricht ein heikles Thema an: Wie reist man kohlekraftgetrieben ins All? Nun, das ist natürlich denkbar einfach. Deshalb sollen hier auch keine weiteren Worte über das Offensichtliche verloren werden. Gestehen wir also zu, dass sich ein Gefährt mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts bereits von unserem Erdkörper lösen könnte, bleiben aber noch einige Detailfragen offen:

1. Die Sauerstoffversorgung

Professor Heisens erstaunlicher Apparat löst dieses Problem auf denkbar einfachem wie genialem Wege (s. auch folgende Skizze).

Aber geben wir dem wackeren Gelehrten selbst das Wort:

"Das ist meine Sauerstoffmaschine. Die Wirkungsweise ist denkbar einfach, wenngleich man natürlich erst einmal darauf kommen muss. Bekanntlich atmen wir Kohlendioxyd aus, das in größeren Konzentrationen bedenklich wirkt. Doch hier kommt meine Maschine ins Spiel. Geben Sie acht! Die Apparatur ergreift das scheußliche Gasgemisch und dann - Hoho! - walkt sie es ordentlich durch. Das Kohlendioxyd wird so in seine beiden Elemente zerlegt: C und O. Den Sauerstoff können wir dann ganz nach Belieben veratmen. Doch damit nicht genug. Was meinen Sie denn, was diese Maschine antreibt? Kohle! Der Energieträger der Moderne. Und jetzt kommt der verbliebene Kohlenstoff ins Spiel. Das quirlige Atom wird in die Brennkammer versetzt und gibt dem Prozess neue Energie - das Spiel beginnt von vorn."

2. Über den Schutz des raumfahrenden Erkundungswilligen

Wie schützt sich der Mensch des 19. Jahrhunderts vor den Gefahren, die bei einem Allausflug drohen? Selbstverständlich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. In etwa so:

Aha, werden Sie jetzt meinen, dachte ich mir. Aber wie funktioniert es? Geben wir wieder Professor Heisen das Wort und lesen, was er in seiner Patentschrift "Schutzkleidung des raumfahrenden Erkundigungswilligen" veröffentlichte:

Helm: Nach landläufiger Meinung enthält der menschliche Kopf ein wichtiges Organ und bedarf somit besonderen Schutzes. Eben das erfüllt der aufgestülpte Hochdruckstahlkübel, der zudem mit seinem Frontal- und den beiden Seitenfenstern auch optimale Sichtverhältnisse unter seiner schirmenden Glocke bietet.

Panzer: Von übertrieben hoher Schwerkraft bis hin zu Meteoritenschauern ist der Körper des Raumfahrers einer Reihe von Unannehmlichkeiten ausgesetzt, vor denen ihm der Panzer Sicherheit bietet. Dank der erprobten sportlichen Tonnenform bietet der Innenraum ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit.

Atem-Gerät: Dem Tauchereiwesen abgeschaut und mit allen nötigen Verfortschrittlichungen versehen ist dieses Gerät. Selbst in einer Umgebung ohne die geringste Spur von Atemluft wie dem Weltenraume ist so eine gemütliche mehrstündige Wanderung möglich.

Schuhe: Um den Fuß auch auf die kleineren Himmelskörper, deren geringe Schwerekräfte kaum Haft und Halt bieten, setzen zu können, sind saugnapfverstärkte Bleisohlen für den mutigen Erkunder oberstes Gebot. Die genietete Außenhülle bürgt zudem für Schutz und Sicherheit vor fremdartigen Kleingetier."

3. Der Erkundungskörper

Professor Heisens erstaunlicher Apparat zur Querung des Weltenraumes: "Das treibgasbeschleunigte Projektil"

Schon die äußere Form lässt erfurchtsvoll erschauern. Von gewisser Größe und bestimmten Gewicht, schickt sich der Erkundungskörper an, das schützende Atmosphärendach unseres Erdballes zu durchstoßen; die dyamische Spitze mag dabei von Nutzen sein. Bullaugen bieten nicht nur einen einmaligen Blick nach draußen, sondern lockern auch die äußerlich eher strenge, ganz den Forderungen der Aerodynamik gehorchende Form auf. Ein massives Schott gewährt Eintritt ins Innere.

Die Spitze beherbergt das Labor. Da sich das Projektil voraussichtlich mit Wucht und Elan in den fremden Planetenkörper bohrt, ist der neugierige Forscher seinem Untersuchungsobjekt so gleich denkbar nahe.

Der Wohnbereich enthält nur das Allernötigste, um den wertvollen Platz nicht übermäßig zu verschwenden. Einen Brokat-Teppich, einen Tisch mit apartem Gedeck, Vorhänge, Betten samt spanischer Wand (Diskretion ist oberstes Gebot!), einen Schrank mit geräuchertem Schinken und neumodischen Konserven, die obligatorische Orgel und einen Schrank mit erbaulicher Literatur.

Der Machinenraum schließlich verwahrt die neuesten Erzeugnisse der kohlekräftigen Moderne. Generatoren, Maschinen, Wunderwerk und mindestens ein Besatzungsmitglied, das dauerhaft als Heizer des Generatorenkessels abgestellt ist. Der extradicke Boden des Erkundungskörpers schützt vor der Explosionsgewalt des Abschusses - theoretisch.

4. Kleiner Leitfaden für den unerschrockenen Planetenkundler

Der Weltenraum ist ein fremdartiger Ort und noch kaum von hiesigen Lustreisegesellschaften erschlossen. Entsprechend ungewohnt mag die Umgebung erscheinen, in die sich der Forscher mutigen Sinnes begibt. Doch wer sich mit folgenden Ratschlägen zu rüsten weiß, wird das Abenteuer einer Sternenreise glücklich bestreiten.

1. Plötzliche Kältewellen, die Ihren Körper zum Erklirren bringen und die Atemluft in Gefrierwürfeln zu Boden stürzen lassen, sind ein Indiz für ein offenes Fenster in Ihrer Raumkapsel. Schließen Sie es mit entschlossenem Griff und sehen Sie, wie die Behaglichkeit zurückkehrt.

2. Der Platzmangel wird Sie womöglich zwingen, von liebgewonnenen Hobbies für die Dauer Ihres Allaufenthaltes Abstand zu nehmen. Dazu zählen selbst als so natürlich empfundene Betätigungen wie Polo, Regattasegeln, Parkausritte und Hammerwerfen. Über ein gepflegtes Billiardspiel ließe sich streiten. Doch Vorsicht: Ein ungeübter Spieler kann sich flugs einer verschärften Variante der in 1. geschilderten Fensterproblematik ausgesetzt sehen.

3. Verproviantieren Sie sich sorgsam und vorausschauend. Sollte etwas fehlen, ist Ersatz nur schwerlich zu beschaffen und gerade die Frage des Bezugs guter Weinjahrgänge jenseits des Orbits ist noch nicht abschließend geklärt. Falls Sie doch einmal der Unannehmlichkeit ins Auge sehen müssen, aufgrund falscher Planung (Nehmen Sie auch etwas anderes außer Pralinen an Bord) des Hungertodes sterben zu müssen, beugen Sie mit einem einfachen Kniff vor: Verspeisen Sie Teile Ihrer Kameraden. Beginnen Sie mit denen, die Ihnen am sinnlosesten erscheinen. Um gerade solchen Situationen die anspannenden Begleitumstände zu nehmen, bleiben Sie betont heiter und kleiden den Vorgang in ein apartes Spiel mit Wettbewerbscharakter.

4. Sind Sie endlich auf einem fremden Himmelskörper angelangt, vergewissern Sie sich der epochalen Bedeutung dieses Augenblicks. Denken Sie aber auch daran, dass eine fremde Flora oder Fauna danach trachten könnte, Sie an einen eher ungewohnten Platz innerhalb der Nahrungskette zu versetzen. In solchen Situationen zieren ein paar passende Worte an Ihre Begleiter immer den Herrn von Welt. "Horrido, alter Knabe! Nach Ihnen.", empfiehlt sich hier wärmstens.

5. Falls Sie auf eine Form irgendwie intelligent gearteten Lebens treffen, verhalten Sie sich würdevoll und Ihrer Herkunft gemäß. Machen Sie dem Wesen klar, dass es künftig Untertan Ihrer Allerhöchsten ... (hier Ihren regierenden Monarchen einsetzen) ist und sich bis Monatsende in seinem zuständigen Regimentsbezirk zur Einschreibung in die Musterrolle zu melden habe. Zudem machen Sie den Sternenwilden mit dem Gedanken vertraut, sich auf eine Steuernachzahlung seit der Geburt/Eischlüpfung/sonstigen Wesenswerdung gefasst zu machen.

Mit diesen Hinweisen gelingt es Ihnen, auch in einem anfangs befremdlichen Ambiente wie dem Weltenraume stets Herr der Lage und ein glänzender Gesellschafter zu bleiben.

5. Kreaturenzoo

Erst raschelt es im Gebüsch und plötzlich walzt sie über den Weg, quert die Straße und alles was von ihrer majestätischen Erscheinung bleibt, ist eine Spur grünen Schleims. So ähnlich könnte ein Treffen mit ihr verlaufen: Der mannsgroßen Zyklopenschnecke.

Da sie bislang aber noch gar nicht entdeckt wurde, ist leider nur entsprechend wenig über sie bekannt. Es spricht nur für die Qualität dieser Seite, dass dennoch ein paar knallharte Fakten präsentiert werden können.

Unübersehbar verfügt die Zyklopenschnecke nur über ein einziges Auge. Somit ist ihr leider die räumliche Orientierung in ihrem Lebensraum verwehrt. Schmerzhaftes Aufquäken und heftige Aufprallgeräusche sind sichere Zeichen eines ZSR (die allseits geläufige Abkürzung für Zyklopenschneckenrevier).

Besonders ärgerlich wirkt sich diese Sehbeeinträchtigung vor allem deshalb aus, weil Zyklopenschnecken aus traditionellen Gründen ein Leben im Hochgebirge bevorzugen. Gerade hier haben falsche Entfernungseinschätzungen zum nächsten Klippenrand ebenso unangenehme wie endgültige Folgen. Grüne Matschhaufen rund um das Große Plateau zeugen vom unbeirrbaren Traditionsbewusstsein der Zyklopenschnecken, ein Leben ganz im Stile ihrer Vorväter zu führen. Ein aufgeplatzter Schneckenleib ist übrigens ein beliebter Dünger, so dass sich am Fuße des Großen Plateaus ein üppiger Vegetationsgürtel und eine schnell wachsende Agrarindustrie ausgebreitet hat.